PersönlichkeitenProf. Dr. Hermann Kümmell

Prof. Dr. Hermann Kümmell - Wegbereiter der Blinddarmoperation

Viele ehemalige Schüler des 19. und 20. Jahrhunderts brachten es zu hohem Ansehen und trugen den Namen der Schule weit über die Grenzen Waldecks hinaus. Zu ihnen zählte Hermann Kümmell. Als Sohn des Apothekers Friedrich Hugo Kümmell wurde er am 22. Mai 1852 im Haus der "Hirsch-Apotheke" geboren. Schon mit 15 verlor er seinen Vater.

Hirschapotheke - Geburtshaus von Prof. Kümmell (Foto: Lilienthal)

Von 1862 bis 1872 besuchte Hermann Kümmell das Korbacher Landesgymnasium. Er galt keineswegs als "Musterschüler". Im Gegenteil, gern war er zu Streichen aufgelegt. Leidtragende waren der Hausmeister (Pedell) der Schule, den er mit allerlei Unfug auf Trab hielt und umliegende Anwohner. So wurde verbotener Weise zu nachtschlafender Zeit die Schulglocke geläutet, woraufhin Verfolgungsjagden durch das nächtliche Korbach erfolgten. Doch Kümmell konnte meist unbemerkt, durch ein Fenster der Apotheke, in das er wieder heimlich einstieg, entkommen.

Nicht einmal vor einem Sprengstoffattentat auf den Hausmeister, das glücklicherweise misslang, schreckte er zurück. Dafür erhielt er mehrere Stunden Arrest im Schulkarzer (einer Art Schulgefängnis). Wirkliche Not musste er allerdings dort nicht erleiden, denn seine Mitschüler machten seinen Karzeraufenthalt mit hineingeschmuggeltem Bier und Wurstbroten durchaus erträglich.

Das Lernen fiel Kümmell nicht leicht. Kaum ein Ereignis prägte sich ihm so stark ein, wie seine Abschlussprüfung am Landesgymnasium. In seinen Erinnerungen beschreibt er sie als "die schwerste und den tiefsten Eindruck hinterlassende Prüfung", die "mich bis in die spätesten Lebensjahre in den Träumen stiller Nächte erschreckend verfolgte".

Hermann Kümmell als Schüler des Landesgymnasiums um 1870 (Foto: R. u. M. Kümmell)

So ist es vielleicht verwunderlich, dass er sich im Sommer 1870 - kurz nach Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegen - mit einigen Freunden heimlich nach Kassel absetzte, um sich als Kriegsfreiwilliger zu melden. Doch dort lehnte man den 18-Jährigen ab und legte ihm und seinen Freunden - wohl zu ihrem Glück - nahe, erst einmal das Abitur abzulegen.

Kümmells Abschlusszeugnis war zwar nicht überragend, doch für die damaligen Verhältnisse akzeptabel. In allen Fächern schnitt er mit befriedigend ab, in Geschichte und Geographie mit "gut". Ein Numerus clausus spielte damals noch keine Rolle. Bereits früh bildete sich bei ihm der Wunsch heraus, Mediziner zu werden. Ab 1872 studierte er Medizin in Marburg, Würzburg und Straßburg. Das Fach begeistert ihn. An der Charité in Berlin promovierte er 1876 zum Dr. med. 1886 führte er die erste Choledochotomie aus (Öffnung des Hauptgallenganges). 1883 übernahm er die chirurgische Abteilung des Marien-Krankenhaus in der Hansestadt Hamburg. Dort forschte er insbesondere auf dem Gebiet des Blasenkrebses und der Tuberkulose.

In Hamburg gelang ihm auch die Operation, die ihn berühmt machen sollte. 1889 führte er mit Erfolg die erste Blinddarmoperation mit Bauchschnitt durch. Heute gehört sie zum Standardeingriff eines jeden Chirurgen.

Verdienste hatte er sich auch erworben durch die konsequente Weiterentwicklung der keimfreien Operationstechnik. Die Verbindung von klinischer Praxis und Wissenschaft sicherte dem Chirurgen einen Platz in der Medizingeschichte.

Ab 1895 war Kümmell leitender Chirurg am Krankenhaus Hamburg-Eppendorf. Dort gründete er 1896 das erste Röntgeninstitut der Stadt. 1907 wurde er zum Professor ernannt und zwei Jahre später zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 1919 zum ordentlichen Professor für Chirurgie an der Hamburger Universität, zu deren Mitbegründern er gehörte. 1922 erfolgte seine Ernennung zum Rektor der Universität.

Hermann Kümmell (sitzend in der Mitte, der 4. von links) im Sommer 1903 in Korbach mit seinen drei Kindern Maria, Fricke und Hermann jun. (vorne), seiner Frau Marie (rechts neben ihm) und Familienangehörigen, wie den Kinder seines Bruders Carl (hinten stehend) (Foto: R. u. M. Kümmell)

Hermann Kümmell (links 1905)

Die Stadt Korbach ernannte ihn 1920 zum Ehrenbürger, denn Hermann Kümmell war seiner Heimatstadt stets treu verbunden und verbrachte alljährlich hier mit seiner Familie einige Urlaubswochen. In Korbach besaß Prof. Kümmell eine schöne Villa am Lengefelder Tor (Kümmellsche Villa), die jedoch einer Straßenerweiterung nach dem Zweiten Weltkrieg weichen musste. 1929 wurde die "Landstraße", in der sein Geburtshaus stand, aus Anlass des 350-jährigen Bestehens der Landesschule in Professor-Kümmell-Straße umbenannt. Mit 85 Jahren verstarb Prof. Dr. Kümmell hoch geehrt am 19.02.1937 in Hamburg.

Villa Kümmell, Gartenansicht, 1912 (Postkarte)

© Dr. Marion Lilienthal

Auszug aus:

Lilienthal, Marion, Die Alte Landesschule in Korbach. Ein Kaleidoskop aus fünf Jahrhunderten (1579 - 1962),
Band 1, Seiten 123-126.

Quellen:

Das alte und das neue Corbach - ein alter Familiensitz, in: Mein Wal-deck. Heimatkundliche Beilage zur Waldeckischen Landeszeitung, 1930, 7, H. 3, S. 9-10 und H. 4, S. 13-14.

Das Korbacher Klosterglöckchen bei Nacht, in: Mein Waldeck. Hei-matkundliche Beilage zur Waldeckischen Landeszeitung, 1961, 11, S. 1-3.

Geh.-Rat Prof. Dr. Hermann Kümmell, Deutsche Allgemeine Zeitung vom 26.02.1937.

Geschichtsblätter für Waldeck und Pyrmont, Erinnerungen an die Corbacher Gymnasiastenzeit, 19./20. Band, 1921, S. 19-37.

Günther, Erwin und das Team des Stadtarchivs Korbach: Was die Namen der Korbacher Straßen erzählen … und was sie verbergen, hrsg. vom Magistrat der Kreisstadt Korbach, 1. Aufl., Korbach. 2008, S. 59.

Hermann Kümmell zu seinem 100. Geburtstag, in: Waldeckische Landeszeitung vom 21.05.1952.

http://geschichtswerkstatt-als.de, konzipiert von Marion Lilienthal, Rubrik "Hirschapotheke - Geburtshaus des Prof. Kümmell", verfasst von Dominik Lerch/Marion Lilienthal, Stand 22.10.1014.

Kümmell, Hermann [jun], Hermann und Marie Kümmell, unsere Eltern, Selbstverlag, o. O. (verm. 1943), S. 33.

Osterhold, Hans, Meine Stadt. Korbacher Bauten erzählen Stadtgeschichte, 3. Aufl., Korbach 2004, S. 45-47.

Privatarchiv Kümmell, Reifeprüfungszeugnis vom 13.03.1872.

Quelle, Kerstin, Der Hamburger Chirurg Hermann Kümmell (1852-1937). Chefarzt, klinischer Forscher und akademischer Lehrer, Diss., Hamburg 2014, S. 23-26.

SchA ALS, Matrikelverzeichnis.

Witzel, Peter (2009): Begegnungen dreier großer Waldecker: Prof. D. Dr. Victor Schultze - Prof. Dr. Hermann Kümmell - Prof. Dr. August Bier. Bildpräsentation von Dr. Peter Witzel, Korbach, vorgestellt am 17. Februar 2009 im Bürgerhaus Korbach.

http://www.waldeckischer-geschichtsverein.de/vortrag/index.html (12.11.2015).